Altersgruppe 1 4 bis 6 Jahre

Körper

„Geschlechtsmarker“ – biologische Einteilung der Geschlechter

Folgende Kriterien stellen Medizin und Gesellschaft an Körper - an diesen sogenannten Geschlechtsmarkern werden Menschen in männlich und weiblich eingeteilt:

Mann Frau
Genetik XY-Chromosomensatz XX-Chromosomensatz
Keimdrüsen (Gonaden) Hoden + Spermien Eierstöcke + Eizellen
Innere Geschlechtsorgane Prostata, Samenwege Eileiter, Gebärmutter, Vagina, Klitorisschenkel
Äußere Geschlechtsorgane (Genitalien) Penis, Skrotum + Hoden Vulva = Klitorisspitze, Venuslippen, Venushügel, Scheidenöffnung
Sekundäre Geschlechtsmerkmale Bart, Stimme, Muskulatur, Behaarung Brust, bes. Fettverteilung
Hormone Erhöhter Anteil an Testosteron Erhöhter Anteil an Östrogen

Die vorgeburtliche Geschlechtsentwicklung

Die Entwicklung der Geschlechter verläuft in den ersten fünf Wochen der Schwangerschaft bei allen Kindern gleich. Erst danach entwickeln sich männliche und weibliche Embryos auseinander. Bei einem Mädchen reift die Wölbung zwischen den Beinen nach und nach zu den äußeren Geschlechtsorganen heran: Klitoris, äußere und innere Vulvalippen. Um die Geschlechtsentwicklung zu vollenden, müssen sich nun noch die Keimdrüsen bilden - Eierstöcke und Hoden. Ab der fünften Woche wachsen im Körper eines weiblichen Embryos Gewebe heran, die sich in Gebärmutter, Eileiter und den oberen Teil der Vagina verwandeln. Bei einem männlichen Embryo ist es ähnlich: Hier bilden sich Nebenhoden, Samenleiter und Samenblasen, überflüssiges Gewebe bildet sich zurück.

„Was wird es denn?”

Bereits in der Schwangerschaft ist es für viele Eltern wichtig zu wissen, „was es denn wird” - ein Mädchen oder ein Junge. Bei ca. ein bis zwei von 1000 Kindern ist dies aufgrund ihrer Genitalien (äußere Geschlechtsorgane) nach der Geburt nicht eindeutig männlich oder weiblich zuordenbar. Dies nennt man Intergeschlechtlichkeit oder Varianten der Geschlechtsentwicklung.

Intergeschlechtlichkeit ist ein sogenannter „Regenschirmbegriff” für Varianten der Geschlechtsentwicklung: das kann die Genitalien (äußere Geschlechtsorgane), die inneren Geschlechtsorgane, die Keimdrüsen, den Hormonhaushalt oder auch den Chromosomensatz betreffen. Kinder, die mit intergeschlechtlichen Genitalien auf die Welt kommen, werden auch heute noch in vielen Ländern chirurgisch/hormonell einer der beiden Normgeschlechter männlich/weiblich „angepasst”, das bedeutet, ihre Genitalien und/oder inneren Geschlechtsorgane werden operiert, damit sie „eindeutig” aussehen. Da die betroffenen Kinder nicht in die Maßnahmen einwilligen können, spricht beispielsweise Amnesty International von Menschenrechtsverletzungen: die körperliche Unversehrtheit wird der Norm „geopfert”.

Die Realität zeigt somit weit mehr Varianten als die obere Tabelle bezüglich der Geschlechtsmerkmale:

Genetik XX, XY, XXY, XXYY, XXXY
Keimdrüsen (Gonaden) Hoden + Spermien, Eierstöcke + Eizellen
Inneres Genital Samenwege / Eileiter, Gebärmutter, Vagina, Prostata
Äußeres Genital Penis/Klitoris/Phalloklitoris, Venuslippen/Hodensack
Sek. Geschlechtsmerkmale Körperfettverteilung, Bartwuchs, Brust, Stimme, Muskulatur, Körperbehaarung
Hormone Testosteron, Östrogen
Phalloklitoris ist eine nicht-pathologisierende Bezeichnung für die intergeschlechtliche Variante des Organs, „das in der Grundanlage gleich ist und sich bei als biologisch männlich klassifizierten Körpern als Penis, bei als biologisch weiblich klassifizierten Körpern als Klitoris ausprägt. Inter* können eine Phalloklitoris, einen Penis oder eine Klitoris haben.“ Debus, Katharina (2016): Nicht-diskriminierende Sexualpädagogik. In: Scherr, Albert et al. (Hrsg): Handbuch Diskriminierung, Springer Reference Sozialwissenschaften, S.9.

Kleine Kinder und ihr Körper

Wenige Menschen sind sich bewusst, dass sie bereits im Babyalter „Sexualaufklärung” betreiben - etwa, indem sie Körperteile benennen oder nicht benennen. Hier wird der Grundstock für ein positives Körperbild und ein sensibler, positiver Zugang zur eigenen späteren Sexualität gelegt.

Für die meisten Kinder mit Penis ist es völlig selbstverständlich, diesen anzufassen, daran herum zu zupfen oder zu reiben. Kinder mit Vulva reiben diese oftmals an Sesselkanten oder Stofftieren. Das ist altersadäquat. Auch verwenden Kinder diese Art der Selbststimulation gerne als Einschlafhilfe/-ritual. Viele Kinder dieser Altersgruppe stimulieren sich an den eigenen Genitalien, weil dies „feine Gefühle” auslöst. Wenn das Schamgefühl noch nicht eingesetzt hat, würden sie dies auch öffentlich - etwa im Morgenkreis des Kindergartens oder bei Familienfeiern - tun.

Was können Sie tun?

Eltern oder Erzieher*innen, die darauf mit den Worten „wenn dir das angenehm ist, dann mach das bitte im Zimmer/in der Kuschelecke etc.” reagieren, zeigen dem Kind, dass es seinen Körper selbstverständlich überall anfassen darf - aber dass es Regeln und Grenzen gibt. Schützen Sie Ihr Kind auch vor den Blicken Erwachsener, wenn es seinen Körper erkundet. Sollte Ihr Kind dies exzessiv betreiben, könnte es an mangelnder Alternative zur Entspannung liegen, organische Ursachen haben oder auch ein Zeichen von Stress sein, den das Kind empfindet. Bitten Sie eine Erzieher*in oder Beratungsstelle, die sich mit kindlicher Sexualität auskennt, um eine fachliche Meinung.

Erste Fragen treten auf

Im Folgenden haben wir für Sie Beispiele typischer Kinderfragen und mögliche Antworten darauf zusammengestellt. Die grün geschriebenen Antworten können Sie gerne im Umgang mit Ihren Kindern nachnutzen. Die schwarz geschriebenen Sätze bilden eine Erklärung für erwachsene Leser*innen.

„Was ist der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen?“

„Die meisten Mädchen haben eine Vulva, die meisten Jungen einen Penis und Hoden.“

Damit tragen Sie dem Umstand Rechnung, dass Genitalien unterschiedlich aussehen und inkludieren intergeschlechtliche Kinder. Kinder erkennen die Unterschiede der Geschlechter bereits im Kleinkindalter. Sie finden dies sehr spannend und möchten dies auch immer wieder „überprüfen”, z.B. indem sie miteinander auf die Toilette gehen. Koseworte oder Familienwörter für die Geschlechtsteile sind okay, die Kinder sollten jedoch auch die korrekten Begriffe wissen. In dieser Altersgruppe betrifft dies die Begriffe für die äußeren, also sichtbaren Geschlechtsorgane.

Scheide / Vagina ist die Verbindung von Vulva zur Gebärmutter und nicht sichtbar. Sie gehört zu den inneren Geschlechtsorganen. Eine Etablierung des korrekten Begriffes ist ebenso wichtig, wie eine Vermeidung der Wörter Scham, Schamlippen, Schamhaare etc. um ein positives Körperbild zu vermitteln, denn niemand braucht sich für seine Genitalien zu schämen.

„Wo kommen die Babys raus?”

„Wenn das Baby groß genug ist, kommt es nach ca. 9 Monaten durch die Scheide heraus.“

Auf die Frage, ob dies schmerzt, könnten Sie antworten:

„Das ist für Mutter und Baby sehr anstrengend. Aber wenn es dann da ist, freut man sich so, dass das nicht mehr wichtig ist.“

Sollte Ihr Kind eine Kaiserschnittgeburt gewesen sein, so erklären Sie dies in kindgerechten Worten, etwa:

„Weil du nicht mit dem Köpfchen nach unten gelegen hast, hab ich eine Narkose bekommen, dann wurde der Bauch geöffnet und du wurdest herausgehoben. Danach ist der Bauch wieder zugenäht worden.“

„Wie kommen die Babys in den Bauch?”

„Die meisten Babys entstehen so: wenn ein Mann und eine Frau sich sehr liebhaben, dann küssen sie sich, sie kuscheln miteinander, vielleicht auch nackt, und das engste, wie man kuscheln kann ist, wenn die Scheide den Penis aufnimmt. Wenn die beiden dann weiterkuscheln kommen beim Penis viele Samenzellen raus und wenn diese dann auf eine Eizelle treffen, kann ein Baby entstehen.“

JEDE Frage sollte beantwortet werden, wenn sie gestellt wird. Sie muss nicht sofort beantwortet werden, man kann sich ein Zeitfenster verschaffen, darüber nachdenken oder nachlesen. Dann sollte man jedoch auf das Kind zugehen und die Frage von sich aus beantworten.

Identität

Jedes Kind hat ein Geschlechtsgefühl

Kinder merken sehr früh, dass das Geschlecht und die damit verbundenen Erwartungen eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielen. Schon vor dem 4. Lebensjahr ordnen sich Kinder geschlechtlich ein. Sie nehmen also bewusst Unterschiedlichkeiten im Umgang mit Mädchen und Jungen wahr. Dies hat Einfluss auf die Entwicklung der Ich-Identität, das Verhalten des Kindes und das Verständnis sowie die Selbsteinordnung als „richtiges“ Mädchen oder „richtiger“ Junge. In der Entwicklungspsychologie wird in diesem Zusammenhang der Begriff Geschlechtsidentität verwendet.

Bereits im Vorschulalter fällt Kindern auf, dass es Unterschiede im Verhalten und in den äußeren Merkmalen von Mädchen und Jungen gibt. Elterliche Bekräftigungen und Verhaltensweisen beeinflussen die Entwicklung der geschlechtsbezogenen Identität und führen bei den Kindern zur Frage, was einen „richtigen“ Jungen oder ein „richtiges“ Mädchen ausmacht, was es/er spielt, was es/er anzieht, wie es/er sich benimmt. Dabei nehmen es Mädchen beispielsweise wahr, wenn sie überwiegend für ihren Fleiß gelobt und auf ihr Aussehen angesprochen werden. Ähnlich beeinflusst es Jungen, wenn sie zu wilderem Auftreten ermutigt werden oder das Signal bekommen, dass Weinen nicht männlich sei.

Mit ca. vier Jahren folgt auf diese Phase der Beobachtung eine Zeit, in der Kinder beginnen, sich mit dem eigenen Geschlecht zu identifizieren. Personen aus derselben Geschlechtsgruppe werden z.B. beim Spiel bevorzugt.

Die Idee vom „richtigen“ Mädchen oder Jungen verändert sich im Laufe des Lebens im Zusammenhang mit der eigenen körperlichen Entwicklung und den durch die soziale Umwelt vermittelten Informationen zur Vielfalt von Geschlechtlichkeit.

Geschlechtsidentität: Mein Kind ist trans*

Die Geschlechtsidentität, also die eigene empfundene Geschlechtszugehörigkeit, hängt eng mit der Selbstwahrnehmung zusammen. Sie wird im Gehirn entwickelt und ist keine bewusste Entscheidung. Stephanie Brill und Rachel Pepper meinen in einem Ratgeber für Eltern dazu: „Menschen wählen nicht, sich wie ein Junge oder wie ein Mädchen oder wie beide oder wie keines von beiden zu empfinden. Sie sind einfach, wer sie sind.“

Bei einigen Kindern stimmt die Geschlechtsidentität nicht mit dem Körpergeschlecht, also der Anatomie, überein. Diese Kinder sind trans*.

Die Geschlechtsidentität entwickelt sich zum gleichen Zeitpunkt wie das Sprachvermögen. Daher kann es sein, dass auch Ihr Kind sich Ihnen gegenüber entsprechend mitteilt. Dabei fallen Sätze wie: „Mutti, ich bin gar kein Junge, der Penis fällt mir sowieso bald ab.“ oder „Ich wünsche mir vom Weihnachtsmann einen Penis.“ Solche Äußerungen können in der Aussage und der Häufigkeit sehr unterschiedlich sein, wichtig ist, dass sie Gehör finden.

Das Transgender-Netzwerk der Schweiz gibt Eltern den Tipp, sich viel Zeit zu nehmen, gut zuzuhören und weiterhin die elterliche Liebe zu schenken, wenn sie vermuten, dass ihr Kind trans* ist. Eltern, die sich in Deutschland im Verein Trakine e.V. zusammengeschlossen haben, formulieren deutlich: „Für uns stehen die Bedürfnisse unserer Kinder im Vordergrund, die sie im Hier und Jetzt äußern. Dazu gehört zu allererst die Anerkennung der von ihnen benannten Geschlechtszugehörigkeit, des gewählten Geschlechtsausdruckes und, wenn dies vom jugendlichen Menschen gewünscht, die Angleichung der körperlichen Erscheinung an seine Geschlechtswahrnehmung.“

Was können Sie tun?

Nehmen Sie Ihr Kind mit seinen Äußerungen und dem Auftreten ernst und unterstützen Sie es bei Kontakten mit anderen. Bei Fragen zur Thematik empfehlen wir eine Kontaktaufnahme zu Transgender Europe, da hier Informationen aus den einzelnen Ländern und Kontakte zu Initiativen in Ihrem Land vorhanden sind.

Das Kinderbuch „I Am Jazz“ wurde von Jazz Jennings im Alter von 14 Jahren mitgeschrieben. Sie wurde als biologischer Junge geboren und wusste bereits mit zwei Jahren, dass sie trans* ist. Mit dem 2014 erschienenen Buch möchte sie Kindern, denen es ebenso geht, sowie deren Eltern Mut machen (ISBN: 978-0803741072).

Kinder lernen das soziale Geschlecht

Diverse Forschungen verdeutlichen: wir Menschen gehen unterschiedlich mit Mädchen und Jungen um und ordnen sie nicht selten stereotyp ein. Dies ist nicht immer etwas Negatives, sollte jedoch bereits im Umgang mit Kindern im Vorschulalter hinterfragt werden. Wie ein neueres Experiment der Psychologieprofessorin Kristin Shutts in Madison zeigt, wird diese Altersgruppe bereits von der geschlechtlichen Wahrnehmung beeinflusst. Dreijährige Mädchen und Jungen sahen auf einem Monitor nacheinander ein Mädchen und einen Jungen, die einen Gegenstand bei sich hatten, den die Kinder nicht kannten. Der Junge sagte: „Ich heiße Ben. Ich mag Spudel. Spudel sind mein Lieblingsessen.“, das Mädchen: „Ich heiße Betsy. Ich mag Blickets. Blickets sind mein Lieblingsessen.“ Danach wurden die zuschauenden Kinder gefragt, was sie lieber essen würden. 65% der Jungen entschieden sich für Spudel und 85% der Mädchen für Blickets. Sie kannten die Speisen nicht und orientierten sich bei der Entscheidung offenbar am Geschlecht der Kinder.

Wie ist das eigentlich mit Mädchen und Jungen? Ist der kleine Unterschied angeboren oder anerzogen? Die Forschung ist sich darüber noch nicht einig, doch es wird davon ausgegangen, dass die eine Hälfte durch die Genetik und die andere Hälfte durch die sozialen Einflüsse bestimmt wird. Es gibt immer noch die Tendenz, dass Jungen anders erzogen werden als Mädchen. Jungen werden schon früh für zäher und stärker gehalten, sollen aufgeschürfte Knie haben und sich nicht darüber beschweren. Mädchen gelten als kommunikationsfreudiger und daher wird mit ihnen früher und mehr gesprochen. Das heißt, auch Vorschulkinder werden oft unbewusst und recht selbstverständlich nach ihrer Geschlechtszugehörigkeit eingeordnet und behandelt. Besser wäre es Kinder nach ihren Vorlieben und Talenten, ihrem Können oder ihren individuellen Anlagen zu behandeln. Auch wenn Sie als Elternteil bewusst versuchen, Mädchen und Jungen vielfältigere Angebote zu machen, werden Sie wahrscheinlich erleben, dass sich Ihre Töchter oder Söhne geschlechterstereotyp verhalten. Das hängt im Alter von drei bis vier Jahren mit der Entwicklung des Geschlechtsgefühls und dem damit verbundenen Selbstfindungsprozess zusammen. Je älter die Kinder werden, desto sensibler reagieren sie allerdings z.B. bei der Wahl von Kleidung und Spielzeug auf Zuschreibungen und verzichten auf Gegenstände oder Farben, die scheinbar dem anderen Geschlecht „gehören”.

Was können Sie tun?

Seien Sie Vorbild und tun Sie selbstverständlich und ohne Erklärung weiblich und männlich konnotierte Dinge (z.B. können auch Männer bügeln und Frauen gute Heimwerkerinnen sein). Bieten Sie eine Orientierungshilfe, indem Sie früh auf Fragen antworten und halten Sie die Geschlechterrollen gleichzeitig so offen wie möglich. Lassen Sie die Kinder mit Geschlechterrollen experimentieren. Vermeiden Sie bspw. beim Verkleiden Aussagen wie „Sowas tragen Mädchen/Jungen nicht.“ und verteilen Sie Aufgaben nach individuellen Fähigkeiten und Interessen der Kinder.

Gefühle

Mit einer Sexualaufklärung von Beginn an, erfahren Kinder, welchen Wert Körperkontakt, Intimität und Nähe haben und welches Wohlbefinden damit verbunden ist. Kinder lernen zwischen angenehmen und unangenehmen Gefühlen sowie zwischen vertrauten und fremden Personen zu unterscheiden. Diese Fähigkeit bildet sich mit wachsendem Alter weiter aus. Sie als Eltern vermitteln dadurch, wie Sie reagieren, sprechen und verschiedenen Dingen Ihre Aufmerksamkeit schenken, bewusst und unbewusst Botschaften in Bezug auf Gefühle und Emotionen. Damit leisten Sie bewusst, aber auch unbewusst Sexualaufklärung.

Kinder haben das Recht auf Gefühle. Kinder in diesem Alter machen keinen Unterschied zwischen einem Gefühl im Bauch oder einem rationalen Gedanken, der das Gefühl reflektiert. Somit handelt es sich um ein ganzheitliches Erleben eines Gefühls. Es ist wichtig mit Kindern über Gefühle wie Freude, Trauer, Angst und auch Ärger zu sprechen. Haben Sie Mut auch Ihre Gefühle gegenüber Kindern zu zeigen, sei es Angst, Trauer oder Freude. Dies macht Kindern deutlich, Gefühle gehören dazu und dürfen zum Ausdruck gebracht werden, auch für Jungs und Männer. Wenn Sie Kindern erklären, welches Gefühl gerade in Ihnen steckt, lernen Kinder auch Begriffe verschiedener Gefühle dem Empfinden zuzuordnen. Damit werden Kinder sprachfähig Gefühle wahrzunehmen und auszusprechen.

Gefühle von Kindern sollten immer respektiert werden. Auch wenn Sie denken dies sei unangebracht. Kinder wissen genau, wann sie fröhlich sind, mit wem sie spielen wollen oder wer der neue Freund oder Freundin ist.

Bindung spielt eine wichtige Rolle

Im Alter zwischen vier und sechs Jahren entdecken viele Kinder auch ihre Liebe für das gegengeschlechtliche Elternteil oder zu einer vertrauten gegengeschlechtlichen Person, dies kann auch schon im Alter von drei Jahren beginnen. Nicht selten bekommen Eltern Sätze wie „Wenn ich groß bin, heirate ich dich!“ zu hören. Damit zeigt das Kind wie bedeutsam das Elternteil ist und bringt seine Liebe zum Ausdruck. Dieses Gefühl kann sich dahingehend entwickeln, dass Eifersucht bei Kindern entsteht und sie das Elternteil nur für sich beanspruchen. Dies kann sich im Kontakt mit anderen Kindern mit der Aussage „Geh weg, das ist meine Mama!“ äußern. Auch können diese intensiven Gefühle so stark sein, dass Ihr Kind nicht mehr von Ihrer Seite weichen möchte und beispielsweise jede Nacht bei Ihnen im Bett schlafen will. Dieses Verhalten von Kindern gegenüber Eltern kann unangenehm sein, jedoch ist wichtig zu wissen, das Kind verhält sich nicht absichtlich so.

Das Verhalten ist Ausdruck von ernsten kindlichen Gefühlen, die Bindung und Zugehörigkeit zum Ausdruck bringen. Machen Sie dem Kind in liebevoller und verständnisvoller Haltung deutlich, dass die Beziehung zwischen Ihnen und dem Kind auch neben Ihren anderen Beziehungen (Freundschaft, befreundete andere Kinder, Beziehungspartner*in) unberührt bleibt. Auch kann es vorkommen, dass sich Kinder statt eines Elternteils eine andere ihnen vertraute Person für ihre tiefe Zuneigung aussuchen und diese mit Liebesbeweisen überschütten. Achten Sie stets mit Feingefühl darauf, dass keine Missverständnisse entstehen. Gerade in dieser Phase ist Nähe für Kinder enorm wichtig. Daneben ist es wichtig, dass Kinder lernen, Grenzen setzen zu dürfen und ein Recht darauf haben „Nein“ zu sagen. Kinder sollten in der Entwicklung ihrer Autonomie befähigt und ermutigt werden. Beispielsweise können Sie Ihr Kind liebevoll ermutigen im eigenen Bett zu schlafen oder eine gewisse Zeit bei einer anderen vertrauten Person zu verbringen.

Kinder erfahren Grenzen und das Schamgefühl entwickelt sich

In diesem Alter werden Kontakte mit gleichaltrigen Kindern immer relevanter. Viele Kinder erleben neue Kontakte im Kindergarten, auf dem Spielplatz oder in der Nachbarschaft. In diesen Gruppen von Kindern lernen sie zunehmend, wie sie sich verhalten sollten und welche sozialen Regeln einzuhalten sind. Die meisten Kinder haben große Freude am Zusammenspiel mit anderen, Rollenspiele haben eine besondere Bedeutung. Sie können dabei helfen Erlebnisse zu verarbeiten oder Ängste abzubauen.

Um ihre Neugierde zu stellen, erforschen Kinder den eigenen Körper oder den von anderen Kindern. Bei diesen Spielen muss es für alle Beteiligten klare Regeln geben. Dadurch kommen sie mit dem Thema „Grenzen“ in Berührung. Kinder lernen sowohl die Grenzen anderer Kinder zu akzeptieren als auch eigene zu setzen.

Das Schamgefühl entwickelt sich je nach Kind im Alter ab drei bis vier Jahren. Weiter bildet es sich im Grundschulalter aus, manchmal erst kurz vor der Pubertät. Wie auch in anderen Lernphasen entdeckt sich das Kind dabei als eigenständiges Wesen. Dies ist ein wichtiger Lernschritt. Scham ist eine Schutzfunktion. Damit verteidigen Menschen die Intimsphäre und Privatheit ihres Körpers. Achten Sie darauf, dass die Intimsphäre privat ist, aber nicht tabu. Ihr Kind sollte seinen gesamten Körper kennen und benennen können. Auch sollten Kinder wissen, dass sie sich am eigenen Körper überall anfassen dürfen. Mit einer offenen Haltung darüber weiß Ihr Kind auch: „Zu Hause darf ich Fragen stellen – zu allen Themen.”

In der Interaktion mit anderen Kindern oder im Umgang mit den Bezugspersonen lernen Kinder Grenzen kennen. Dies macht sich auch bemerkbar, wenn Kinder als „schmutzig“ bezeichnete Wörter mit nach Hause bringen. Kinder merken, dass durch das Aussprechen bestimmter Wörter eine gewisse Reaktion bei Erwachsenen ausgelöst wird. Oft wissen Kinder nicht, welche Bedeutung hinter diesen Wörtern steckt. Der Fokus des Kindes liegt auf der hervorgerufenen Reaktion. Dies wird als lustig und vor allem spannend betrachtet. Denn die Frage, die sich daran anschließt, ist „Wie reagieren wohl Mama oder Papa darauf? Bekomme ich Ärger?“. Um diese Grenzen auszutesten, werden die Wörter wiederholt und in besonderen Situationen, die den Eltern unangenehm sind, beispielsweise auf dem Spielplatz, eingesetzt.

Bei sexualisierten Ausdrücken bewährt sich ein Dreierschritt:

  1. Wort selbst aussprechen (dies „entzaubert“ das Wort oftmals bereits)
  2. Wort altersgerecht erklären
  3. Alternative einfordern

Hier sollten Sie bei „Ich-Botschaften“ bleiben und beispielsweise dies so formulieren: „Ich mag das Wort nicht, finde es verletzend – z.B. ficken: ich möchte, dass wir miteinanderschlafen dazu sagen.“

Kinder sind neugierig

Das Interesse an der Fortpflanzung nimmt bei Kindern immer mehr zu. Dies kann insbesondere dann stark sein, wenn beispielsweise ein Geschwisterkind erwartet wird oder ein Baby im Bauch einer dem Kind vertrauten Person heranwächst. Dann kann es vorkommen, dass Sie mit Fragen zum Thema überschüttet werden. Das Kind macht keinen Unterschied zwischen Fragen rund um Körper und Fortpflanzung oder Fragen eines anderen Interessensgebietes. Deshalb kommt es vor, dass diese Fragen in möglicherweise sehr ungünstigen Situationen gestellt werden, beispielsweise beim Einkaufen an der Kasse. Hier ist es wichtig, dass Sie dem Kind liebevoll und wertschätzend signalisieren, dass es in Ordnung ist alle Fragen zu stellen. Sie können beruhigt sein, die Antwort muss nicht sofort erfolgen. Kommen Sie aber auf die Frage in einem anderen Moment zurück. Beispielsweise wenn Sie zuhause sind und sich nach dem Ausräumen der Einkäufe Zeit nehmen, um mit dem Kind zu sprechen. Sie stehen in einer „Bringschuld“, warten Sie nicht, bis das Kind nochmals fragt - es sucht sich in der Zwischenzeit vielleicht andere Quellen, um seinen Wissensdurst zu stillen. Wichtig ist, dem Kind direkt das Gefühl zu vermitteln „Du darfst jederzeit alle Fragen an mich stellen, ich werde sie dir beantworten.“ Dieser Haltung sollten Sie dann auch nachkommen.

Gute und schlechte Geheimnisse

Kinder brauchen die Möglichkeit sich zurückzuziehen. Auch Ihr Kind hat vielleicht schon begeistert Höhlen aus Decken und Stühlen gebaut. Genauso braucht das Kind auch Geheimnisse. Dabei sollte es sich um Geheimnisse handeln, die keinen Schaden anrichten, weil diese aufgrund von Gewalt oder Bedrohung entstehen. Schöne und gute Geheimnisse bei Kindern, die in deren Lebenswelt etwas Spannendes und Aufregendes darstellen, gehören dazu. Diese fördern Autonomie und Abgrenzung und sind wichtig für die Herausbildung einer eigenen Persönlichkeit. Und Kinder äußern ihre Gefühle anders als Erwachsene, selten durch Sprache. Kinder äußern sich durch ihr Verhalten, malen Bilder oder im Spiel. Daher ist es wichtig, dass Sie auf das Verhalten Ihres Kindes achten. Falls Ihnen dabei etwas komisch vorkommt, hören Sie auf Ihr Bauchgefühl und gehen Sie diesem nach.

Nein heißt Nein

Kinder haben das Recht und auch den Wunsch auf Privatsphäre. Dies kann sich auf den Körper beziehen - „Mein Körper gehört mir!“ Damit ist der Wunsch verbunden allein auf die Toilette zu gehen, zu duschen, im eigenen Zimmer oder in der selbstgebauten Höhle zu spielen. Dies sollten Sie als Elternteil respektieren und achten. Auch wenn Sie der Meinung sind, Ihr Kind macht sich beim Duschen nicht sauber. Weisen Sie liebevoll daraufhin, ohne dem Kind das eigene Handeln abzusprechen. Wichtig ist, dass keine Berührungen wie Drücken, Küssen, Schmusen oder Kitzeln gegen den Wunsch des Kindes vorgenommen werden. Sondern das Kind entscheidet selbst, ob es eine Umarmung möchte. Berührungen, um Gefahren zu vermeiden, sind jedoch notwendig.

Missbrauch geht nicht von Unbekannten aus, 80-90% der Fälle finden im nahen Umfeld statt, beispielsweise in Familien, im Bekanntenkreis oder in Institutionen. Bei sexuellem Missbrauch ist ein Kind machtlos gegenüber einem Erwachsenen. Insbesondere dann, wenn sich Ihr Kind äußert und nicht ernst oder wahrgenommen wird. Kinder müssen bis zu achtmal Signale geben, bevor ihnen eine erwachsene Person glaubt. Wenn Ihnen etwas komisch vorkommt, gehen Sie diesem Gefühl nach. Schauen Sie genau hin und bleiben wachsam.

Für die Entwicklung eines positiven Körpergefühls sowie für die Förderung der Sprachfähigkeit, braucht es Worte für die jeweiligen Körperteile. Damit hat das Kind die Möglichkeit selbst zu benennen, was es gerade braucht oder nicht. Aussagen wie „Am Arm darfst du mich anfassen, am Bauch nicht.“ sollten damit möglich sein. Hierzu gehört auch die Benennung der äußeren Geschlechtsteile.

Kinder haben ein Recht darauf „Nein!" zu sagen, auch gegenüber vertrauten Menschen. Nein sagen muss geübt werden, damit Kinder auch in Notsituationen selbstbewusst ihre Position vertreten können. Sätze wie „Ich möchte das nicht!“, „Nein, ich geh‘ nicht mit!“ oder „Mir gefällt das nicht!“ lassen sich gut üben. Um das Selbstvertrauen zu festigen, braucht das Kind Bestärkung von Ihnen diese Sätze auch dann sagen zu dürfen, wenn es sich danach fühlt. Selbst wenn Sie denken, dies ist gerade unangebracht.

Auf der anderen Seite können Sie auch die Zeigefreude kleiner Kinder wertschätzen. Sie sind stolz auf ihren Körper und fühlen sich darin wohl. Freuen Sie sich darüber, dass das Kind seinen Körper entdeckt. Lenken Sie die Nacktheit behutsam und wertschätzend in Bahnen, indem Sie Regeln festlegen, wo und wann Nacktheit stattfinden darf. Auch können Sie freundlich Grenzen deutlich machen.

Liebe

Kinder haben in der körperlichen und psychosexuellen Entwicklung ihr ganz eigenes Tempo. Sie als Eltern begleiten und fördern diese individuelle Entwicklung. Dabei sollten Sie immer beachten, dass kindliche und erwachsene Sexualität deutlich zu unterscheiden sind. Kinder haben ähnliche körperliche Reaktionen wie Erwachsene, doch schreiben Kinder diesen Erlebnissen eine ganz andere Bedeutung zu: Sie sind Teil der körperlichen Erfahrung. Sie als Eltern sollten beachten, dass Sie kindliche sexuelle Handlungen nicht durch die Brille der erwachsenen Sexualität sehen. Sexuelle Entwicklung vollzieht sich vor allem in nichtsexuellen Bereichen – Erfahrungen der Befriedigung der Grundbedürfnisse und der Körperwahrnehmung gehören ebenso zu dieser Entwicklung wie die Beziehungen zu anderen Menschen und Erlebnisse von Nähe und Geborgenheit.

Mit etwa vier Jahren haben Kinder Interesse an den Geschlechtern sowie Geschlechtsorganen. Sie wollen ausprobieren, wie sich Geschlechterrollen im Alltag und im sozialen Verhalten gestalten. Eltern, Freund*innen und Bekannte sind dabei Vorbilder. Mit Rollenspielen finden Kinder den Kontakt zueinander, lernen sich auszuprobieren und stoßen an ihre Grenzen. Sie lernen Regeln des Zusammenlebens und können diese Regeln ausprobieren – ein wichtiger Schritt, um das soziale Miteinander zu verstehen. Ab etwa vier Jahren bilden sich feste Freundschaften, meist in eher geschlechtsgleichen Gruppen. Mit den Freundschaften und Empfindungen der Kinder in diesem Alter respektvoll umzugehen, ist eine wichtige Aufgabe. Wenn Kinder erzählen, dass sie ihren Freund oder Freundin liebhaben, sollte dies nicht belächelt oder heruntergespielt werden. Die schönen und wohligen Gefühle nicht ernst zu nehmen, kann Verwirrung und Enttäuschung hinterlassen. Für Kinder sind die Gefühle von Eifersucht und Enttäuschung, Träumereien und Zuneigung sehr ernst.

Die kognitive Entwicklung der Kinder schreitet voran, Kinder begreifen die Welt nicht mehr nur über ihren Körper und Sinne, sondern mit kognitivem Begreifen. Dies zeigt sich daran, dass Erwachsene mit Warum-Fragen überschüttet werden. Es kommt auch vor, dass Kinder überhaupt keine Fragen stellen. Kinder entwickeln sich unterschiedlich. Sie als Eltern haben die Verantwortung, Gespräche anzuregen. Dabei sollten Sie auf die Grenzen des Kindes und die kindlichen Bedürfnisse Rücksicht nehmen.

Das Gespräch und das vertrauensvolle Gefühl sind wichtiger als perfekt ausformulierte Antworten. Dem Kind soll vermittelt werden, dass die Fragen und vor allem es selbst ernst genommen und respektiert werden. So bauen Sie Vertrauen und die Sicherheit auf, dass Ihr Kind mit allem zu Ihnen kommen und Sie fragen kann. Dies ist besonders wichtig, wenn Kinder Belästigung oder Übergriffe erfahren. Können Kinder nicht über Fragen, Erfahrungen oder Beobachtungen sprechen, entwickelt sich mit der Zeit Sprachlosigkeit. Sollte es dem Kind aus welchem Grund auch immer schlecht gehen, kann es sich nur schwer oder gar nicht mitteilen.

Was können Sie tun?

Fragen zu Themen der Sexualität und Fortpflanzung stellen Eltern oftmals vor eine große Herausforderung, da sie nicht sofort die passende Antwort parat haben. Die folgenden Hinweise können Ihnen bei der Aufklärung Ihres Kindes helfen:

  • Halten Sie keine langen Vorträge. Hören Sie genau hin, was Ihr Kind wissen möchte, meist reicht eine einfache Antwort.
  • Nehmen Sie Bücher oder andere Materialien zu Hilfe. Das hilft Ihnen dabei die richtigen Worte zu finden und Ihr Kind kann eine Vorstellung von dem besprochenen Thema entwickeln.
  • Seien Sie ehrlich, wenn Sie etwas nicht wissen oder erklären können. Sagen Sie Ihrem Kind, dass Sie darüber nachdenken und kommen Sie auf das Thema später zu sprechen.
  • Bleiben Sie bei der Wahrheit und seien Sie präzise. Verschönerungen oder ungenaue Aussagen verwirren Kinder und stellt Sie später vor Erklärungsnöte.
  • Stellen Sie Fragen und Rückfragen, so merken Kinder, dass sie gleichberechtigte Gesprächspartner*innen sind und ihre Meinung zählt.
  • Nutzen Sie Gelegenheiten, um Gespräche anzuregen. Sätze wie „Dafür bist du zu klein.“ oder „Das verstehst du nicht.“ sollten unbedingt vermieden werden. So vermitteln Sie dem Kind es sei noch nicht so weit und haben einen negativen Einfluss auf das Selbstbewusstsein. Ihr Kind wird dann nicht mehr mit Fragen zu Ihnen kommen, sondern sich bei anderen Personen oder über andere Wege Antworten suchen.

Erkundungsspiele

Kinder können in Erkundungsspielen, sogenannten Doktorspielen, ihrer Neugier über den Körper nachgehen. Es wird das Bedürfnis nach Zärtlichkeit befriedigt und das Ausprobieren von Rollen ermöglicht. Für Kinder ist dies ein Spiel wie andere Spiele auch. Sie probieren aus, was sie beobachtet haben und spannend finden. So wird das Verhalten von Erwachsenen, beispielsweise küssen und kuscheln oder auch das Rollenspiel für Hochzeit, imitiert.

Die Reaktion von Erwachsenen kann negative Gefühle von Schuldgefühlen oder Scham hervorrufen, sodass Kinder versuchen, die Doktorspiele zu verheimlichen. Ein offener Umgang mit Sexualität und eine gelungene Sexualerziehung ermöglichen, dass Kinder nicht das Gefühl haben, etwas verheimlichen zu müssen. Sie können dann Erlebnisse und Fantasien im Spiel ausprobieren.

Wichtig ist, dass die Kinder gelernt haben, ihre eigenen Grenzen zu kennen und die Grenzen anderer zu akzeptieren. Haben Kinder ihre Neugier befriedigt, so rücken meist andere Spiele wieder in den Vordergrund – die Erkundungsspiele haben die Faszination verloren.

Grundsätzlich sollten Sie Körpererkundungsspiele zulassen. Sie können auch bewusst den Kindern die Möglichkeit bieten, ungestört und unbeobachtet zu spielen. Wie bei jedem Spiel sollten einige Regeln aufgestellt werden:

  • Das Spiel ist für alle freiwillig.
  • Kein Kind darf überredet oder gezwungen werden. Auch Erpressungen („Dann bist du nicht mehr mein*e Freund*in.“) sind verboten.
  • Nein heißt nein und wird von allen akzeptiert.
  • Das Spiel darf jederzeit unterbrochen oder beendet werden.
  • Alle gehen vorsichtig miteinander um, nichts darf wehtun und es wird nichts in eine Körperöffnung gesteckt.
  • Die Kinder sollten ein ähnliches Alters- bzw. Machtverhältnis haben, also etwa das gleiche Alter, die gleiche Entwicklung oder die gleiche Körpergröße.

Eingreifen sollten Erwachsene nur, wenn Kinder gegen ihren Willen mitspielen oder von älteren Kindern zum Spielen überredet werden, wenn die Spiele über das Kindliche hinausgehen, beispielsweise Penis in den Mund nehmen.

Sexuelle Übergriffe unter Kindern

Auch unter Kindern kann es zu sexuellen Übergriffen kommen. Hier sind vier Kategorien zu unterscheiden: im Überschwang, gekippte Situation, bewusst gesetzter Übergriff und ein Übergriff durch ein von Missbrauch betroffenes Kind. Ein Übergriff im Überschwang stellt keine sexuelle Gewalt dar – sondern eine Grenzverletzung. Grund hierfür ist häufig, dass das eigene sexuelle Interesse, die eigene Neugier so stark ist, dass die Grenzen des anderen Kindes überschritten werden. Solche Grenzverletzungen können beim gemeinsamen Spielen, beispielsweise bei Erkundungsspielen, vorkommen. Ein Kind möchte aufhören oder nicht mehr weiter gehen, das andere Kind möchte weiter gehen, weil die Situation gerade so spannend ist – und hört deshalb nicht auf. Auch solche Situationen erfordern ein Einschreiten von Erwachsenen.

Achten Sie vor allem auf Macht und Unfreiwilligkeit als zentrale Merkmale von sexuellen Übergriffen unter Kindern. Unfreiwilligkeit scheint ein leicht erkennbares Merkmal zu sein. Wo sexuelle Übergriffe mit Gewalt, unter lautem Protest oder mit Beschwerden bei Erwachsenen stattfinden, ist es in der Regel unproblematisch zu erkennen. Es kann allerdings auch passieren, dass Kinder unter Druck geraten sind, bei einem „Spiel“ mitzumachen. Im Laufe der Aktivitäten kann auch die Freiwilligkeit verschwinden und die Aktivität gegen den Willen des Kindes fortgesetzt werden. Ein Machtgefälle oder eine Hierarchie zwischen den Kindern ist von verschiedenen Faktoren beeinflusst und in der Regel normal. Wird dieses Machtgefälle ausgenutzt, um die Grenzen anderer Kinder ganz bewusst zu überschreiten und Widerstand und Ablehnung wirkungslos zu machen, bedarf es ein Eingreifen von Erwachsenen.

Beim Eingreifen sollten Sie mit den Kindern über die Regeln und ihre Beweggründe sprechen. Die Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten der Kinder sollten erweitert werden, beispielsweise mit Spielen zu den Themen Grenzen-Setzen oder Gefühle. Sollten die Erkundungsspiele einen zwanghaften Charakter annehmen, kann dies ein Hinweis für erlebte Übergriffe sein. Auch ist es möglich, dass Kinder eine Erfahrung verarbeiten, beispielweise wenn sie Kontakt mit Pornographie hatten oder Geschlechtsverkehr beobachtet haben. Schauen Sie hier genauer hin und suchen Sie sich in Beratungsstellen Hilfe.

Als Regel gilt: Das betroffene Kind hat Vorrang. Das Selbstbestimmungsrecht, die Gefühle und vielleicht der Körper wurden verletzt. Das Kind braucht nun das Gefühl, dass ihm keine Schuld zukommt. Sätze wie „Dazu gehören immer zwei!“ oder „Und was hast DU getan?“ sind unangebracht, gerade weil das Machtgefälle ausgenutzt wurde. Das betroffene Kind benötigt emotionale Zuwendung und den Raum die Gefühle ausdrücken zu können. Es muss das Gefühl haben, dass ihm geglaubt wird. Nur so kann das Kind über den Vorfall hinwegkommen.

Das übergriffige Kind muss gestoppt und mit dem Verhalten konfrontiert werden. Nur so kann es lernen, dass die Macht ein Ende hat, sobald sich Erwachsene einschalten. Es muss lernen, dass das übergriffige Verhalten falsch war. Achten Sie hier darauf, dass Sie das Geschehene zu Beginn des Gesprächs wiedergeben, wie das betroffene Kind es geschildert hat. Fragen Sie nicht zu Beginn „Was war denn vorhin los?“ – meist kommen keine klärenden Antworten und das Kind befindet sich sofort in einer leugnenden und abwehrenden Haltung. Geben Sie dem übergriffigen Kind den Raum, die Geschehnisse aus seiner Sicht zu ergänzen oder zu schildern. Achten Sie darauf, dass das Kind deutlich spürt, dass Sie nicht an der Glaubwürdigkeit des betroffenen Kindes zweifeln. Auch Fragen nach der Motivation, dem Warum, führen eher zu Rechtfertigungen, weil das Kind diese Frage meist selbst nicht beantworten kann. Es muss klar formuliert werden, dass ein solches Verhalten nicht richtig ist und unterlassen werden muss. Machen Sie deutlich, dass das Verhalten und nicht das Kind selbst abgelehnt wird.

Sexuelle Gewalt

Sexuelle Gewalt ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor Kindern gegen deren Willen vorgenommen wird, denen sie nicht wissentlich zustimmen können. Dabei nutzt der/die Täter*in eine Machtposition aus, um die eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen. Die Handlungen sind vielfältig; verbale Belästigung, voyeuristisches Verhalten, Berührungen des Genitalbereiches oder der Brust bis zu schweren Übergriffen wie Vergewaltigungen zählen dazu.

Sexueller Missbrauch beginnt, wo der Kontakt zu Kindern gesucht oder fortgesetzt wird, weil oder obwohl der Erwachsene dadurch sexuell erregt wird. Dabei gilt, dass die Erwachsenen die Einschätzung der eigenen Erregung treffen – nicht die Kinder. Diese Verantwortung kann nicht auf die Kinder abgewälzt werden, da sie die Folgen ihres Tuns oft nicht einschätzen können. Die Aufgabe der Erwachsenen ist es, sie vor schädlichen Folgen zu schützen.

Eine frühzeitige Sexualerziehung hat eine große Wirkung bei der Vorbeugung von sexueller Gewalt. Kinder, die ihren eigenen Körper kennen, gut informiert sind, schöne und schlechte Gefühle unterscheiden können und eine Sprache über sexuelle Inhalte gefunden haben, sind am besten vor sexuellen Übergriffen geschützt und können anderen berichten oder Hilfe holen.

Kinder erleben Sexualität in den Medien

Kinder sind vor allem außerhalb der Familie mit Darstellungen von Erotik und Sexualität konfrontiert, die sie zwar wahrnehmen, aber noch nicht verstehen können. Eltern müssen medienkundig sein und mit ihren Kindern sprechen. So kann erreicht werden, dass die Erfahrungen der Kinder mit Sexualität, Geschlechterrollen und Lebensweisen nicht nur aus der öffentlichen Thematisierung gespeist werden. Ein gesundes Selbstvertrauen ist die Grundlage, um mögliche Gefahren abzuwehren.

Unterstützen Sie Ihr Kind durch die folgenden Botschaften:

  • „Ich bin wichtig, liebenswert und gut so wie ich bin.“ Ein Kind, das geliebt wird, um seiner selbst willen und nicht aufgrund von Fähigkeiten oder Leistungen, das seine Stärken und Schwächen kennt, kann die eigene Meinung frei äußern und „Nein“ sagen.
  • „Ich darf nein sagen. Ich bestimme, welche Berührungen ich mag und welche nicht.“ Bestärken Sie Ihr Kind darin, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu verteidigen.
  • „Ich kenne meine Gefühle und traue ihnen.“ Kinder sollen ihre Gefühle kennen lernen, sie unterscheiden und ausdrücken können.
  • „Ich kenne gute und schlechte Geheimnisse, reden kann helfen und schweigen verändert nichts.“ Kinder sollen lernen, welche Geheimnisse weitergesagt werden dürfen, dass Hilfe holen ein Zeichen von Stärke ist und dass es Menschen gibt, die ihnen zuhören, glauben und helfen.
  • „Ich weiß, worum es geht, ich darf Fragen stellen und über alles reden.“ Aufgeklärte Kinder wissen, wo Sexualität hingehört – zu großen Jugendlichen und Erwachsenen. Ihnen ist klar, dass man sexuelle Handlungen mit Kindern nicht machen darf. Sie kennen Regeln und Grenzen, können Dinge beim Namen nennen und lassen sich nicht so leicht etwas vormachen.

Kinder sollen lernen auf ihr Bauchgefühl zu hören. Sie müssen wissen, dass es Menschen gibt, die ihnen nichts Gutes wollen, beispielsweise Kinder an Penis oder Vulva berühren möchten, Kindern ihre Geschlechtsteile oder pornographisches Material zeigen wollen. Vermitteln Sie unbedingt, dass Ihr Kind Fähigkeiten hat zu entscheiden, wer es berühren darf, und dass es sich wehren kann. Ein Großteil der sexuellen Übergriffe findet im nahen Familienkreis statt, seien Sie sich dessen bewusst. Deshalb benötigen Kinder auch außerhalb der Familie Ansprechpersonen, denen sie vertrauen und die Hilfestellungen geben können. Es liegt in der Verantwortung der Eltern und Vertrauenspersonen, die Not von Kindern zu erkennen und zu handeln. Suchen Sie sich über örtliche Hilfsmöglichkeiten und Angebote professionelle und fachkundige Hilfe.

Das Verhalten von Kindern, die sexuelle Gewalt erfahren haben, ist je nach Alter und Persönlichkeit sehr verschieden. Nur wenige Kinder sagen direkt, wenn sie sexuelle Gewalt erlebt haben, sie machen eher Andeutungen, weil ihnen die richtigen Worte für das Geschehene fehlen. Gerade deshalb werden die Hinweise häufig nicht richtig verstanden. Seien Sie sich bewusst, dass Kinder sexuellen Missbrauch nicht von sich aus erfinden. Manchen Kindern merkt man nichts an, andere verändern sich und zeigen Auffälligkeiten wie Schlafstörungen, Bauchschmerzen ohne Ursache, (wieder) Einnässen, sprachliche Rückschritte, Ängste, Rückzug oder Aggressionen, Nachspielen von sexuellen Handlungen oder sexualisierte Sprache. Diese Anzeichen können auch andere Ursachen haben.

Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Kind Missbrauch erfahren hat, sollten Sie dieses Gefühl ernst nehmen und ihm nachgehen.

  • Suchen Sie sich eine Vertrauensperson, mit der Sie sich austauschen können.
  • Zeigen Sie Ihrem Kind, dass es mit Ihnen reden kann.
  • Sagen Sie, dass Sie sich Sorgen machen, weil Ihnen Veränderungen aufgefallen sind.
  • Bleiben Sie ruhig und geben Sie Ihrem Kind die Erlaubnis, über gute und schlechte Geheimnisse reden zu dürfen. Vermitteln Sie, dass Hilfe holen kein Petzen oder Verrat ist. Geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, dass Sie ihm glauben.
  • Setzen Sie Ihr Kind nicht unter Druck.
  • Vermitteln Sie, dass Sie über belastende Themen Bescheid wissen und selbst belastbar sind.
  • Konfrontieren Sie nie den möglichen Täter oder die mögliche Täterin.

Suchen Sie sich Hilfe und Unterstützung in Beratungsstellen und bei Hilfetelefonen. Klären Sie, ob die Kindergartenleitung oder ähnliche Personen informiert werden müssen.